Wie RPA die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern unterstützen kann

Diagnose mangelnde Digitalisierung: Deutsches Gesundheitswesen reagiert auf EMRAM-Studie 2017

Die digitale Transformation des Gesundheitssystems in Deutschland hat gerade erst begonnen. Noch tun sich die Krankenhäuser mit der Digitalisierung ihrer Prozesse schwer, und auf dem Weg zum digitalen Krankenhaus der Zukunft gibt es viel zu tun. Doch die heutige Entwicklung zeigt: Digitale, datenbasierte Entscheidungen und Prozesse werden für Zukunftsthemen zur Voraussetzung – besonders auch für die Automatisierung von Prozessen im Krankenhaus.

Digitale Transformation im Krankenhaus – diese Entwicklung birgt deutliche Chancen und Vorteile für das Gesundheitswesen, denn Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten in der medizinischen Versorgung, bewirkt mehr Effizienz und Qualität in Krankenhaus-Prozessen, schafft bessere Arbeitsbedingungen für Ärzte und Mitarbeiter in der Pflege und damit einhergehend eine bessere Versorgung und Therapie der Patienten.

Wer auf der Suche nach einem Maß für die Krankenhaus-Digitalisierung ist, stößt über kurz oder lang auf den so genannten EMRAM-Score. Mit Hilfe des Electronic Medical Record Adoption Models bewertet die HIMSS Analytics Group in einer weltweiten Studie die Umsetzung der Digitalisierung von Krankenhäusern auf einer Skala von 0 bis 7. Vor vier Jahren gab es den letzten großen Bericht zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen unter anderem über die Situation in Deutschland1. Das Ergebnis ist ernüchternd: Mit 2,3 rangierten deutsche Kliniken in Sachen “digital” unterhalb des EU-Durchschnitts (3,6) und im internationalen Vergleich weit hinter Staaten wie den USA (5,0) oder Singapur (5,7). Etwa 160 deutsche Krankenhäuser nahmen nach Auskunft von Jörg Studzinski von HIMSS Analytics in Leipzig damals an der Online-Befragung zur Digitalisierung im Krankenhaus teil, deren Ergebnisse einem Qualitätscheck unterzogen wurden. Kliniken, die nach den gemachten Angaben in den digitalen Top-Kategorien (sechs und sieben) rangieren, werden zudem einem Vor-Ort-Check unterzogen. Knapp 40 Prozent der Kliniken rangierten sogar nur auf Stufe 0, verfügten nur in sehr geringem Ausmaß über digitale Prozesse, hatten bspw. keine Labor-, Radiologie- oder pharmazeutische Informationssysteme im Einsatz.

Krankenhauszukunftsgesetz als Treiber für neue Reifegradmessungen der deutschen Krankenhäuser

Eine Ausnahme: Die medius Klinik Nürtingen war 2017 schon – auf Stufe 6 – im Thema Digitalisierung gut unterwegs. Kürzlich ist sie rezertifiziert und die Einstufung bestätigt worden.

„Wir sehen seit der Aktualisierung des EMRAM-Modells in 2018, dass vor allem Kliniken, die bereits gut digitalisiert sind und über entsprechendes Know-how verfügen, an der EMRAM-Befragung teilnehmen“,

sagt Studzinski.

IT-Sicherheit (Stufe 2), rollenbasierte Rechteverwaltung (Stufe 3) und der sichere Einsatz mobiler medizinischer Geräte (Stufe 5 und 6) gehören etwa nun mit dazu. Einen hohen EMRAM-Score – neben einer intrinsischen Motivation, digitaler zu werden – für die PR und das Marketing zu verwenden, ist nachvollziehbar, aber seit der Verabschiedung des Krankenhauszukunftsgesetzes nicht mehr das wichtigste Argument für die Digitalisierung. Denn um einen Teil des 4,3 Milliarden Euro großen neuen Budgettopfs für das Gesundheitswesen zu bekommen, ist „eine Reifegradmessung verbindlich“, wie Studzinski sagt. Diese wird dann “#Digitalradar Krankenhaus” heißen und EMRAM-Methoden einbeziehen.

Klar ist: An Bereitschaft, an der überarbeiteten Reifegradmessung für Digitalisierung im Krankenhaus mitzuarbeiten, wird es nicht mangeln. Mit dem ersten “Digitalradar” dürfte nach Ansicht des Wissenschaftlers 2022 zu rechnen sein. Fakt ist, und das haben die Spitzenbelastungen während der Corona-Pandemie noch deutlicher gemacht: Am Krankenhaus 4.0 führt kein Weg vorbei. Moderne Kliniken nutzen die Chance und setzen im Zuge einer zukunftsweisenden E-Health-Strategie auf digitale Technologien, digitale Anwendungen und digitale Lösungen, um Prozesse, Personal und Informationen effizient zu vernetzen.

„Das Krankenhaus der Zukunft muss prozessorientiert arbeiten“

„Das Krankenhaus der Zukunft kann nicht mehr abteilungsorientiert arbeiten, es muss prozessorientiert arbeiten“, sagt Norbert Nadler, der Leiter der medius Kliniken Nürtingen – des digitalen Vorreiters. Zu Stufe 6 im EMRAM-Modell gehört zudem, papierlos zu arbeiten. Die Elektronische Patientenakte, Vernetzung von Systemen, gebündelte Informationen, echte digitale Lösungen, das ist in deutschen Kliniken eher die Ausnahme, als die Regel:

„Dokumentationssysteme in den Krankenhäusern sind immer noch häufig papierbasiert, was eine Migration und Integration von Daten erheblich erschwert bzw. unmöglich macht“,

ist im Krankenhausreport 20202 zu lesen. Zum Beispiel gebe es in fast keinem Krankenhaus die Möglichkeit einer systematischen Integration der Daten über die Personalausstattung in der Pflege und die Patientenbelegung auf den Stationen – ein Zustand, der es Krankenhäusern schwer macht, das Personal zu planen. Ein weiteres Problem der “Zettelwirtschaft” sind die hohen Fehlerrisiken: Unter Zeitdruck und bei hohem und beschleunigten Patientendurchlauf kann es passieren, dass Daten der Patienten nicht vollständig oder falsch erfasst und an behandelnde Ärzte weitergegeben werden.

Digitalisierung ist Voraussetzung für Automatisierung.

Sind die Prozesse allerdings digitalisiert, entsteht daraus enormes Potenzial für deren Automatisierung. Digitalisierung und Automatisierung eröffnen Krankenhäusern neue und effektive Handlungsmöglichkeiten: Die Klinikleitung hat Transparenz über Zahlen und Ressourcen und kann besser Entscheidungen treffen, um den Betrieb effizient zu managen. Auch für Ärzte sind die Vorteile überwiegend, da diese aktuelle und umfassende (Gesundheits-) Daten über die Patienten bekommen und Zeit sparen, um Arztbriefe zu schreiben, OP-Berichte zu erstellen oder Reha-Anträge zu stellen. Pfleger werden weniger dadurch aufgehalten, Dokumente zu erstellen und gewinnen Zeit für die zugewandte Betreuung und Gesundheit der Patienten.

Rund 200 Prozesse entlang der Patienten-Journey hat beispielsweise das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau in der ersten Runde identifiziert, die für eine Automatisierung infrage kommen. Davon wurden in einem ersten Schritt 30 Prozesse für die konkrete Umsetzung der Automatisierung ausgewählt, in der nächsten Ausbaustufe kommen weitere Automatisierungen hinzu. Stationslisten erstellen, an OP-Dokumentationen erinnern, Patientenlogistik automatisieren, Daten für App-unterstütze Visite übertragen, Vergabe von Terminen zur Nachuntersuchung, Gehälter buchen und überweisen, Aufnahme- und Anamnesebogen des Patienten ausfüllen, externe Dokumente hinzufügen: Die Liste der Prozesse, die im Klinikum Aschaffenburg-Alzenau schon erfolgreich automatisiert wurden, ist lang – und über die X1-Clinic-Plattform von Servicetrace zudem einfach zu managen.

Wer „Robotic Process Automation (RPA)“ nutzt – das zeigen Umfrageergebnisse des Beratungshauses Deloitte3 über alle Branchen hinweg – hat 40 Prozent mehr Zeit für Wertschöpfung, verursacht 59 Prozent weniger Kosten, ist um 86 Prozent produktiver, um 90 Prozent genauer und verbessert seine Compliance um 92 Prozent. Insofern birgt RPA auch für die digitale Entwicklung im Gesundheitswesen eine große Chance mit immensem Potenzial: hohe Prozess-Sicherheit und -Effizienz, bessere Arbeitsbedingungen, zufriedene Ärzte und Pfleger, besser versorgte Patienten.

Lesen Sie auch den Artikel: "Domo arigato, Dr. Roboto" aus Krankenhaus, Technik und Management 06/2021 zum Thema "wie RPA Krankenhäuser effizienter, effektiver und menschenfreundlicher macht.

Wohin geht die Entwicklung? Prioritäten für 2023

Nach einer aktuellen Befragung von HIMSS hat sich in Deutschland in den letzten Jahren nach dem EMRAM-Schock von 2017 einiges getan. Das Ergebnis der Annual European Digital Health Survey 20214 – einer Online-Umfrage unter mehr als 400 Health-Experten in Europa – zeigt, dass die hiesigen Verantwortlichen in den letzten drei Jahren Vorteile und Möglichkeiten der Digitalisierung zunehmend besser nutzten. Ihre digitale Reife klettert von 5 auf 6 (auf einer Skala von 1 bis 10) und der Anteil der digitalisierten Patientendaten steigt von 64 auf heute 70 Prozent. Damit können deutsche Kliniken zwar noch nicht mit den Niederlanden (6,7; 90 %) oder skandinavischen Staaten (6,8; 89 %) mithalten, doch zeigt sich, dass sie Zukunftsthemen jetzt angehen. Das Wissen um die Möglichkeiten steigt und auch die Prioritäten für 2023 zeigen: In den nächsten zwei Jahren klettern die Themen in der strategischen Gunst, die ohne hohen Digitalisierungsgrad schlicht undenkbar sind – darunter Entscheidungsunterstützung und künstliche Intelligenz (+7 % gegenüber 2019), personalisierte Medizin (+19 %), erweiterte Realität (+16 %) und Blockchain (+19 %).